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OWi I: Vorsatzverurteilung statt Fahrlässigkeit, oder: Abwesender/entbundener Betroffener

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Bild von S K auf Pixabay

Am heutigen Donnerstag ist „OWi-Tag“, und zwar mit drei verfahrensrechtlichen OLG-Entscheidungen.

Ich stelle zunächst den OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.02.2025 – 1 ORbs 4/25 – vor.

Vorgeworfen wird dem Betroffenen zunächst eine fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung. Gegen den deswegen ergangenen Bußgeldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein. Das AG bestimmte dann Hauptverhandlungstermin für den 26.09.2024. Mit der Ladung wies das AG den Betroffenen und seinen Verteidiger gemäß §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, 265 StPO darauf hin, dass „im Hinblick auf den nach dem Messprotokoll vor der Messstelle vorhandenen Geschwindigkeitstrichter im Falle der Verurteilung auch die Annahme von grober Fahrlässigkeit und dann eine höhere Geldbuße als im Bußgeldbescheid in Betracht kommt“.

Zum Hauptverhandlungstermin am 26.09.2024 erschienen weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Da dieser im Vorfeld einen entsprechenden Antrag gestellt hatte, entband der Bußgeldrichter den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen und verhandelte in seiner Abwesenheit zur Sache. Im Verhandlungsprotokolls heißt es: „Die Vorsatzproblematik wurde erörtert und im Hinblick auf die qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitung von über 50 % im Bereich des Autobahndreiecks Havelland (besondere Gefährdung dort bei derartigen Überschreitungen) als hier vorliegend mitgeteilt. …“.

Verurteilt hat das AG den Betroffenen dann wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Dagegen die Rechtsbeschwerde, die Erfolg hatte:

„2. In der Sache hat sie – vorläufig – Erfolg. Der Betroffene dringt mit seiner Verfahrensrüge einer Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch.

a) Der Betroffene hat mit seiner Beschwerdebegründung in einer den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise vorgetragen, dass der Bußgeldrichter ihn nicht auf eine mögliche Verurteilung wegen Vorsatzes hingewiesen habe.
b) Eines solchen Hinweises auf die Änderung der Schuldform (Vorsatz statt Fahrlässigkeit) bedurfte es gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 265 StPO. Auf eine Änderung der Schuldform muss hingewiesen werden (BGH VRS 49, 184; OLG Braunschweig NStZ-RR 2002, 179; OLG Oldenburg StraFo 2011, 401; OLG Jena, Beschluss vom 30. Oktober 1996, 1 Ss 171/96, Juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, zu § 265, Rz. 11).

Der Hinweis war hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Die Bußgeldbehörde hatte in ihrem Bescheid zwar nicht ausdrücklich eine Schuldform angegeben, war aber, wie die Höhe der dort verhängten Geldbuße (385,00 €) zeigt, von fahrlässiger Begehungsweise ausgegangen.

Das Bußgeldgericht hatte den Betroffenen und seinen Verteidiger in der Ladungsverfügung auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen grober Fahrlässigkeit hingewiesen, nicht aber auf eine solche wegen Vorsatzes. Gerade mit Blick auf diesen Hinweis durfte der Betroffene darauf vertrauen, nicht wegen einer Vorsatztat verurteilt zu werden.

Die „Erörterung der Vorsatzproblematik“ in der Hauptverhandlung war nicht geeignet, das rechtliche Gehör des Betroffenen zu wahren, denn dieser war mit Blick auf die antragsgemäß beschlossene Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung berechtigt nicht erschienen. Auch sein Verteidiger war nicht anwesend, sodass für den Betroffenen niemand von der „Erörterung der Vorsatzproblematik“ Kenntnis erhielt. Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass der Bußgeldrichter in dieser Situation verpflichtet war, die Hauptverhandlung zu unterbrechen oder gar auszusetzen, um den Hinweis schriftlich zu erteilen und dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, seine Verteidigung hierauf einzurichten (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 05. November 2015, 2 Ws 215/15, Rz. 8 f., Juris).“


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